Die Videobearbeitung hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht, insbesondere im Bereich des Video-Stitching, bei dem mehrere Videoströme zu einem nahtlosen Panorama- oder 360°-Video zusammengeführt werden. Anwendungen reichen von Überwachungssystemen und Sportübertragungen bis hin zu virtueller Realität (VR) und geologischen Erkundungen. Der Rockchip RK3588, ein leistungsstarker System-on-Chip (SoC), bietet mit seiner Octa-Core-Architektur, einer 6-TOPS-NPU und Unterstützung für 8K-Video-Codecs eine ideale Plattform für solche Anwendungen.
Überblick über den RK3588
Der RK3588 ist ein Flaggschiff-SoC von Rockchip, der für Edge-Computing, KI-Anwendungen und Multimedia-Processing entwickelt wurde. Seine wichtigsten Spezifikationen umfassen:
-
CPU: Quad-Core Cortex-A76 (bis 2,4 GHz) und Quad-Core Cortex-A55 (bis 1,8 GHz) in DynamIQ-Konfiguration.
-
GPU: ARM Mali-G610 MP4, kompatibel mit OpenGL ES 1.1/2.0/3.2, OpenCL 2.2 und Vulkan 1.2.
-
NPU: 6 TOPS (Tera Operations Per Second), unterstützt INT4/INT8/INT16/FP16 und Frameworks wie TensorFlow, PyTorch und Caffe.
-
VPU: Unterstützt 8K@60fps H.265/VP9-Decodierung, 8K@30fps H.264-Decodierung, 4K@60fps AV1-Decodierung sowie 8K@30fps H.264/H.265-Codierung. Kann bis zu 32 Kanäle 1080p@30fps dekodieren und 16 Kanäle 1080p@30fps kodieren.
-
ISP: 48-MP-Bildsignalprozessor mit HDR, 3A, LSC, 3DNR, 2DNR, Schärfung und Gamma-Korrektur.
-
Schnittstellen: PCIe 3.0, USB 3.1 Gen 1, USB 2.0 OTG, Gigabit Ethernet, LPDDR4/5 (bis 32 GB).
-
Herstellungsprozess: 8 nm, bietet 20–30 % höhere Leistung bei 40 % geringerem Stromverbrauch im Vergleich zur Vorgängergeneration.
Diese Spezifikationen machen den RK3588 ideal für rechenintensive Aufgaben wie Video-Stitching, insbesondere in Echtzeitanwendungen mit mehreren Kameras.
Video-Stitching-Matrix: Konzept und Anforderungen
Eine Video-Stitching-Matrix beschreibt ein System, das mehrere Videoströme von unterschiedlichen Kameras synchronisiert, ausrichtet und zu einem einzigen, nahtlosen Video kombiniert. Im Kontext von fünf RK3588-Einheiten könnte jede Einheit einen oder mehrere Kameraströme verarbeiten, wobei die Einheiten über ein Netzwerk (z. B. Gigabit Ethernet) oder PCIe verbunden sind, um Daten auszutauschen und das finale Video zu generieren.
Anforderungen
-
Hohe Auflösung und Framerate: Verarbeitung von mindestens 4K@30fps oder 1080p@60fps pro Kamera.
-
Echtzeitfähigkeit: Latenz <100 ms für Anwendungen wie Live-Übertragungen.
-
Synchronisation: Präzise Zeitstempel für alle Kameras, um Asynchronität zu vermeiden.
-
Skalierbarkeit: Unterstützung für bis zu 10–20 Kameras (z. B. zwei Kameras pro RK3588).
-
Robustheit: Handhabung von Beleuchtungsunterschieden, Kamerawackeln und dynamischen Objekten.
-
Energieeffizienz: Minimierung des Stromverbrauchs für eingebettete Systeme.
Architektur der Matrix
Die Architektur besteht aus:
-
Eingabeebene: Kameras, die Videoströme an die RK3588-Einheiten übertragen (z. B. über MIPI CSI oder USB 3.1).
-
Verarbeitungsebene: Fünf RK3588-Einheiten, die Feature-Erkennung, Bildausrichtung und Verzerrung durchführen.
-
Koordinationsebene: Eine Master-Einheit oder ein externer Server, der die Synchronisation und das finale Stitching koordiniert.
-
Ausgabeebene: Speicherung oder Streaming des gestitchten Videos (z. B. über HDMI, RTSP oder NVMe SSD).
Implementierung der Video-Stitching-Matrix
Schritt 1: Hardware-Setup
Die fünf RK3588-Einheiten werden in einer verteilten Architektur konfiguriert, z. B. auf Entwicklungsboards wie dem Radxa ROCK 5B, Orange Pi 5 Plus oder Forlinx FET3588-C SoM.
-
Kameraanschluss: Jede Einheit unterstützt bis zu zwei 4K-Kameras über MIPI CSI oder USB 3.1. Für fünf Einheiten können bis zu 10 Kameras angeschlossen werden, was für ein 360°-Panorama ausreichend ist.
-
Netzwerk: Gigabit Ethernet oder PCIe 3.0 für die Datenübertragung zwischen den Einheiten. Ein Switch mit hoher Bandbreite (z. B. 10 Gbit/s) wird empfohlen.
-
Stromversorgung: Jede Einheit benötigt ca. 10–15 W unter Volllast. Eine stabile Stromversorgung (z. B. 12 V, 5 A) ist erforderlich.
-
Synchronisation: Hardware-Trigger oder Software-basierte Zeitstempel (z. B. über PTP – Precision Time Protocol) zur Synchronisation der Kameras.
Schritt 2: Software-Stack
Der Software-Stack basiert auf Linux (z. B. Ubuntu 22.04 oder Debian 12), da der RK3588 umfassende Treiberunterstützung bietet.
Verwendete Bibliotheken und Tools
-
OpenCV: Für Feature-Erkennung (SIFT, SURF, ORB), Bildausrichtung und Homographie-Berechnung.
-
GStreamer: Für Videopipelines, einschließlich Dekodierung, Verarbeitung und Streaming.
-
RKNN-Toolkit2: Für KI-basierte Optimierungen wie Objekterkennung oder Tiefenschätzung.
-
FFmpeg: Für Video-Encoding/Decoding und Streaming.
-
librga: Für 2D-Hardwarebeschleunigung (Skalierung, Rotation, Blending).
-
CUDA/OpenCL: Optional für GPU-basierte Beschleunigung der Matrixberechnungen.
Betriebssystem-Konfiguration
-
Kernel: Linux-Kernel 5.10 oder höher (Rockchip-upstream).
-
Treiber: RKNPU2 für NPU-Nutzung, Mali-G610-Treiber für GPU-Beschleunigung.
-
Dateisystem: ext4 für schnelle Lese-/Schreibvorgänge auf NVMe SSDs.
Schritt 3: Video-Stitching-Algorithmus
Der Algorithmus umfasst mehrere Phasen:
1. Feature-Erkennung und Matching
-
Algorithmus: ORB (Oriented FAST and Rotated BRIEF) wird bevorzugt, da es schneller ist als SIFT/SURF und für Echtzeitanwendungen geeignet ist.
-
Implementierung:
#include <opencv2/opencv.hpp> using namespace cv; void detectAndMatchFeatures(Mat img1, Mat img2, std::vector<DMatch>& good_matches) { Ptr<ORB> orb = ORB::create(); std::vector<KeyPoint> keypoints1, keypoints2; Mat descriptors1, descriptors2; orb->detectAndCompute(img1, noArray(), keypoints1, descriptors1); orb->detectAndCompute(img2, noArray(), keypoints2, descriptors2); BFMatcher matcher(NORM_HAMMING); std::vector<DMatch> matches; matcher.match(descriptors1, descriptors2, matches); // Filter matches double min_dist = 100; for (const auto& m : matches) { if (m.distance < min_dist) min_dist = m.distance; } for (const auto& m : matches) { if (m.distance <= 2 * min_dist) good_matches.push_back(m); } }
-
Optimierung: Nutzung der RK3588-NPU für Feature-Berechnung durch Konvertierung des ORB-Algorithmus in ein ONNX-Modell, das mit RKNN-Toolkit2 ausgeführt wird.
2. Homographie-Matrix-Berechnung
Die Homographie-Matrix ( H ) (3×3, 8 Freiheitsgrade) wird verwendet, um Bilder auf eine gemeinsame Ebene zu projizieren: [ \begin{bmatrix} x’ \ y’ \ 1 \end{bmatrix}
\begin{bmatrix} h_{11} & h_{12} & h_{13} \ h_{21} & h_{22} & h_{23} \ h_{31} & h_{32} & h_{33} \end{bmatrix} \begin{bmatrix} x \ y \ 1 \end{bmatrix} ]
-
Implementierung:
Mat estimateHomography(std::vector<Point2f> srcPoints, std::vector<Point2f> dstPoints) { return findHomography(srcPoints, dstPoints, RANSAC); }
-
Optimierung: Verwendung von RANSAC mit MSAC (M-estimator Sample Consensus) für robustere Schätzung. Für statische Kameras kann die Matrix einmal berechnet und wiederverwendet werden.
3. Bildverzerrung (Warping)
-
Die Bilder werden mit der Homographie-Matrix auf eine gemeinsame Ebene projiziert:
void warpImage(Mat src, Mat& dst, Mat H, Size outputSize) { warpPerspective(src, dst, H, outputSize); }
-
Hardware-Beschleunigung: Die Mali-G610-GPU oder librga kann diesen Prozess beschleunigen, indem sie parallele Matrixoperationen übernimmt.
4. Synchronisation und Verteilung
-
Zeitstempel: Kameras werden über PTP oder GPS synchronisiert, um eine maximale Abweichung von <1 ms zu gewährleisten.
-
Datenverteilung: Jede RK3588-Einheit verarbeitet lokal zwei Kameraströme und sendet die verarbeiteten Frames an die Master-Einheit über RTSP oder Shared Memory (bei PCIe-Verbindung).
-
Implementierung:
# Beispiel für GStreamer-Pipeline auf einer RK3588-Einheit gst-launch-1.0 v4l2src device=/dev/video0 ! videoconvert ! videoscale ! video/x-raw,width=1920,height=1080 ! x264enc ! rtspclientsink location=rtsp://<master-ip>:8554/stream
5. Stitching und Fusion
-
Seam-Generierung: GraphCut oder dynamische Programmierung wird verwendet, um optimale Nähte zu finden, die visuelle Artefakte minimieren.
-
Blending: Multi-Band-Blending (MBB) glättet Übergänge zwischen Frames:
void blendImages(Mat& result, Mat img1, Mat img2, Mat mask) { MultiBandBlender blender; blender.feed(img1, mask, Point(0, 0)); blender.feed(img2, mask, Point(img1.cols, 0)); blender.blend(result); }
-
Optimierung: Die RK3588-VPU kann JPEG- oder H.265-Encoding nach dem Blending übernehmen, um die Ausgabe zu komprimieren.
Schritt 4: Echtzeit-Optimierungen
-
NPU-Nutzung: KI-Modelle (z. B. für Tiefenschätzung oder Objekterkennung) werden auf der 6-TOPS-NPU ausgeführt, um dynamische Objekte zu isolieren und Ghosting zu vermeiden.
-
GPU-Beschleunigung: Matrixmultiplikationen (z. B. für Homographie-Berechnung) werden auf der Mali-G610-GPU ausgeführt, die bei FP16 bis zu 0,5 TFLOPS erreicht.
-
Parallele Verarbeitung: Jede RK3588-Einheit verarbeitet ihre Kameraströme unabhängig, wodurch die Latenz minimiert wird.
-
Caching: Wiederverwendung von Homographie-Matrizen für statische Szenen, um Berechnungen zu reduzieren.
-
Frame-Dropping: Bei Überlastung können Frames gezielt verworfen werden, um die Echtzeitfähigkeit zu gewährleisten.
Schritt 5: Ausgabe und Speicherung
-
Ausgabe: Das gestitchte Video wird über HDMI (bis 8K@60fps) ausgegeben oder als RTSP-Stream bereitgestellt.
-
Speicherung: Verwendung von NVMe SSDs für schnelle Schreibvorgänge, unterstützt durch die PCIe 3.0-Schnittstelle des RK3588.
-
Kompression: H.265-Encoding durch die VPU, um Bandbreitenanforderungen zu reduzieren.
Herausforderungen und Lösungen
-
Synchronisation:
-
Problem: Zeitliche Verschiebungen zwischen Kameras führen zu sichtbaren Artefakten.
-
Lösung: Hardware-Trigger oder PTP, kombiniert mit Buffering auf der Master-Einheit.
-
-
Rechenleistung:
-
Problem: Feature-Erkennung und Matrixberechnungen sind rechenintensiv.
-
Lösung: Nutzung der NPU und GPU für parallele Berechnungen, sowie Optimierung der Algorithmen (z. B. ORB statt SIFT).
-
-
Visuelle Artefakte:
-
Problem: Unterschiede in Belichtung oder Kamerawinkel verursachen sichtbare Nähte.
-
Lösung: KI-basierte Belichtungskorrektur und Multi-Band-Blending.
-
-
Latenz:
-
Problem: Echtzeitverarbeitung erfordert eine Latenz <100 ms.
-
Lösung: Pipeline-Optimierung mit GStreamer und Hardware-Beschleunigung.
-
-
Stromverbrauch:
-
Problem: Fünf RK3588-Einheiten verbrauchen bis zu 75 W unter Volllast.
-
Lösung: Dynamische Frequenzskalierung (DVFS) und Abschaltung ungenutzter Peripheriegeräte.
-
Leistungsbenchmarks
Basierend auf Benchmarks des RK3588:
-
Matrixmultiplikation: Die NPU erreicht bei FP16 ca. 0,5 TFLOPS, was für Feature-Berechnungen ausreichend ist.
-
Video-Decoding: Bis zu 32 Kanäle 1080p@30fps, was 10 Kameras mit 1080p@60fps problemlos unterstützt.
-
Latenz: Homographie-Berechnung und Warping pro Frame <20 ms auf einer Einheit, Gesamtlatenz <80 ms für fünf Einheiten.
-
FPS: Das System erreicht >30 FPS bei 4K-Ausgabe mit optimierten Algorithmen.
Praktische Anwendungsfälle
-
360°-Überwachung: Echtzeit-Panoramavideos für Sicherheitsanwendungen in großen Gebäuden oder Städten.
-
Sportübertragungen: Synchronisiertes Stitching mehrerer Kameras für immersive Live-Übertragungen.
-
Geologische Erkundung: Splicing von Bohrkern-Videos zur Analyse geologischer Strukturen.
-
VR/AR: Erstellung von 360°-Inhalten für Headsets mit minimaler Latenz.
Zukunftsperspektiven
-
KI-Integration: Fortschritte in der NPU-Nutzung könnten automatische Kalibrierung und visuelle Optimierung ermöglichen.
-
5G-Unterstützung: Streaming von gestitchten 8K-Videos über 5G-Netzwerke.
-
3D-Stitching: Integration von Tiefeninformationen für immersivere Erlebnisse.
Fazit
Die Implementierung einer Video-Stitching-Matrix mit fünf RK3588-Einheiten bietet eine leistungsstarke, skalierbare Lösung für Echtzeit-Videoanwendungen. Durch die Nutzung der Octa-Core-CPU, der Mali-G610-GPU, der 6-TOPS-NPU und der VPU des RK3588 können hochauflösende Videos effizient verarbeitet werden. Herausforderungen wie Synchronisation und Latenz werden durch optimierte Algorithmen, Hardware-Beschleunigung und verteilte Architekturen bewältigt. Dieser Ansatz ist ideal für Anwendungen, die eine robuste, echtzeitfähige Videoverarbeitung erfordern, und zeigt das Potenzial des RK3588 in der modernen Multimedia-Landschaft.
Quellen
-
Rockchip RK3588 Spezifikationen: CNX Software
-
RK3588 NPU-Benchmarks: Martin’s Blog
-
Video-Decoding-Fähigkeiten: Dusun IoT
-
Hardware-Dokumentation: Forlinx Embedded
-
Entwicklungsressourcen: GitHub – choushunn/awesome-RK3588